Hin­ter den Kulissen

Ich möch­te Dir Herrn Dame vorstellen. 

Dem fol­gen­den Zei­tungs­ar­ti­kel ent­neh­men wir, dass der Ber­li­ner Dro­ge­rist „Welt­re­kord­mann im Kino­ge­hen“ und „Film­hob­by­ist“ gewe­sen sei, der im Durch­schnitt zwei- bis drei­mal pro Tag im Kino­ses­sel saß. 

Weltrekordkinogänger Fritz Dame
Welt­re­kord­ki­no­gän­ger Fritz Dame

Kein Dreh­buch­au­tor wäre mit „Herrn Dame“ durch­ge­kom­men; das Leben darf so etwas. 

Der Herr der Leinwandmärchen

Viel­leicht sind dem Repor­ter die Zähl­gäu­le durch­ge­gan­gen. Ob Herr Dame wirk­lich zwei- bis drei­mal täg­lich ins cine­ma­ti­sche Dun­kel abtauch­te? Nach Erin­ne­run­gen mei­ner Fami­lie, die Herrn Dame kann­te, führ­te er sei­ne Dro­ge­rie erfolg­reich und war zur Freu­de sei­ner Kun­den dort sehr präsent. 

Rekor­de hin oder her: Selbst im Ber­lin der Nach­kriegs­jah­re mit sei­nen vie­len schö­nen Licht­spiel­häu­sern waren die zehn­tau­send „Kino­mär­chen“, die Herr Dame sich bis dato angeb­lich gegönnt hat­te, zei­tungs­taug­lich. (Name und Datum der Publi­ka­ti­on sind mir lei­der unbe­kannt.) Heu­te wäre es wohl erst recht unvor­stell­bar, auch nur zwei- bis drei­mal wöchent­lich ins Kino zu gehen. 

Dis­kur­se über Fil­me: das Per­sön­li­che fassen

Das Eti­kett Lein­wand­mär­chen deu­tet die Hal­tung des Jour­na­lis­ten an: Ich ver­mu­te, er sieht den exzes­si­ven Lein­wand­kon­sum als Flucht aus der Rea­li­tät, als etwas, das man als Kurio­sum betrach­ten, aber nicht ernst­neh­men muss. Die Fra­ge, wel­che Fil­me der Dro­ge­rist bevor­zug­te, reißt der Arti­kel nicht mal an. 

Wird das Herrn Dame gerecht? Wird es über­haupt jenen Men­schen gerecht, die sich mehr oder weni­ger inten­siv in fil­mi­sche Wel­ten begeben? 

Der zeit­ge­nös­si­sche Dis­kurs über Fil­me ten­diert zur ver­meint­lich objek­ti­ven Qua­li­täts­dis­kus­si­on; iro­ni­scher­wei­se offen­bart sie nicht sel­ten, wie per­sön­lich Men­schen Fil­me neh­men. Bei dem Rät­sel, das Herr Dame auf­gibt, kom­men wir damit auch nicht wei­ter. Es wäre span­nen­der und ziel­füh­ren­der, über das indi­vi­du­el­le Ver­hält­nis zwi­schen Men­schen und „ihren“ Fil­men nachzudenken. 

Viel­leicht ver­bin­det die meis­ten von uns etwas mit Herrn Dame, das sei­nen Rekord selt­sam, fas­zi­nie­rend und doch emo­tio­nal greif­bar macht: Die Fil­me, die wir lie­ben oder has­sen, haben mit uns zu tun; sie bewe­gen Men­schen auf viel­fäl­ti­ge Wei­se und kön­nen Leben beeinflussen. 

Fil­me in The­ra­pie und Coaching

Eine Beschäf­ti­gung damit lohnt sich; ich möch­te zei­gen, wie viel­fäl­tig sich Fil­me auf­fä­chern kön­nen, dass sie kei­nes­wegs auf ein paar gesi­cher­te Moti­ve und Inhal­te redu­zier­bar sind; dass ihre Qua­li­tät sich sehr indi­vi­du­ell defi­nie­ren kann. Dar­um ist eine der wich­tigs­ten Auf­ga­ben die­ses Blogs, Fil­me auf ihre The­men, Moti­ve, Gen­res hin abzu­klop­fen – auch mit Blick auf die Viel­falt ihrer mög­li­chen Ansich­ten, die wir über sie äußern und die sie auf uns werfen. 

Dabei habe ich ein prak­ti­sches Ziel vor Augen: her­aus­zu­ar­bei­ten, auf wel­che Wei­se man die­ses Wis­sen anwen­den kann, um Men­schen zu hel­fen. Zum Glück haben sich schon ande­re dafür inter­es­siert: Psy­cho­lo­gen, Phi­lo­so­phen, Sozio­lo­gen und auch Film­wis­sen­schaft­ler. Sie stel­len uns eine Fül­le an Mate­ri­al zur Ver­fü­gung, die das Gan­ze wis­sen­schaft­lich und the­ra­pie­prak­tisch fun­die­ren kann. 

Die Leit­fra­ge des Pro­jekts Film­an­sich­ten lau­tet: Wie las­sen sich Fil­me in The­ra­pie und Coa­ching – viel­leicht auch für die soge­nann­te Selbst­hil­fe – nut­zen?

Ich hof­fe, Du bist auf die Ant­wor­ten und wei­te­re Fra­gen genau­so gespannt wie ich.